Das Sexleben des Jungfraumannes

Der Jungfraumann geht nicht auf Mädchensuche. Wenn seine Partnerin daran zurückdenkt, wie es eigentlich angefangen hat, wird ihr einfallen, daß sie den ersten Schritt getan hat. Er ist zu scheu, den Anfang zu machen. Wahrscheinlich hat sie ihn ganz zufällig durch gemeinsame Bekannte oder am Arbeitsplatz kennengelernt.

Zur ersten Verabredung sollte sie besser pünktlich erscheinen - und das auch weiterhin -, denn Pünktlichkeit ist wichtig. Andere Eigenschaften, die er besonders bewundert, sind Takt, Haltung, gute Umgangsformen (einschließlich Tischmanieren) und eine breite Skala in der Unterhaltung. Er möchte den Ort des Stelldicheins wählen, und er hat feste Vorstellungen von den Menschen, mit denen er zusammenkommen mag.

Man braucht keine Sorgen zu haben, daß sich seine Hand unter dem Tisch an die falschen Stellen verirrt, er in der Öffentlichkeit demonstrativ Zärtlichkeiten verteilt, oder daß er nach dem Ausgehen noch den berüchtigten Schlummertrunk in der Wohnung der Angebeteten erwartet. Das ist nicht seine Art.

Doch wenn der kritische Augenblick kommt, ist er auf alles vorbereitet. Findet das Ereignis bei der Partnerin statt, wird er alles mitbringen, Pyjama, Rasierzeug, Zahnbürste, frisches Hemd, saubere Socken und wahrscheinlich auch seinen Wecker, damit er rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheinen kann! Vielleicht bringt er auch die Frage aufs Tapet, wie man es gern hätte, bevor es losgeht.

Es kommt bei ihm nicht zu vulgärer Entfaltung von Leidenschaft, nicht zu unerwünschter Aufdringlichkeit. Sein Vorspiel ist eher einstudiert, sogar methodisch. Er versteht etwas von der weiblichen Anatomie. Da er vorher genau geklärt hat, was eine Frau anregt, wird er die richtigen Reaktionen auslösen. Seine Technik ist eher ästhetisch als sinnlich, und falsche Impulse können seine Leistungen beeinträchtigen. Allerdings schreibt er das dann eher den Umständen als sich selbst zu.

Doch immer ist er empfänglich für Anregungen, und eine aggressive Frau kann fast alles von ihm haben, was sie sich wünscht. Nur darf man von ihm nicht viel Phantasie erwarten. Er wird sich sehr bemühen, und eine Frau, die bei ihm den Höhepunkt verpaßt, ist selbst daran schuld. Der aufopferungsfähige Jungfraumann verrenkt sich geradezu, um seine Bettgenossin zu erfreuen.

Wenn der Jungfraumann nicht durch besondere Umstände oder Tricks angeregt wird, begnügt er sich mit der Normalstellung. Und das möglichst unter der Bettdecke. Mit einer Ausnahme: Er hat es gern, wenn sich seine Gespielin mit aufgestützten Ellbogen bäuchlings auf den Boden legt, so daß er sie von hinten nehmen kann.

Neuen Techniken ist er nicht abgeneigt, wenn sie ihm nicht aufgezwungen werden. Darin ähnelt er einer Rosenknospe, die mit liebevoller Sorgfalt behandelt werden muß, wenn die volle Blüte ihrer sinnlichen Schönheit zur Geltung kommen soll.

Ein guter Tip: Ein leichter Biß in sein Hinterteil läßt seinen Puls schneller schlagen und führt gewöhnlich zu einer raschen Erektion.

Nicht alle Geschichten über die Kühle des Jungfraumannes im Schlafzimmer sind unwahr. Da er nicht sehr sexbetont ist, kann das leicht in Gleichgültigkeit ausarten. Es soll vorkommen, daß er jahrelang verheiratet ist, ohne von seinen Rechten oder Pflichten als Ehemann Gebrauch zu machen. "Wer rastet, der rostet", heißt es so schön in einem Sprichwort. Den Jungfraumann sollte man nicht rasten lassen!

Bei gewissen Konstellationen kann er zum Voyeur werden. Die frühen Anzeichen - harmlose Blicke auf Badenymphen im Bikini, ein lüsterner Blick durchs Fernglas - können sich zur Pornographie-Besessenheit auswachsen. Bei Pornoliteratur und Sexfilmen befriedigt er sich selbst. Dann ist ein normales Sexleben für ihn nicht mehr möglich.

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